Was für ein Glück - den günstigsten Zeitpunkt zu erwischen oder die Zeit zu haben, ihn abwarten zu können. Kairos ist mit uns im Nationalpark Los Glaciares! Jetzt haben wir schon den Perito Moreno Gletscher kalben gesehen, nun stehen bei der Anfahrt nach El Chaltén der Monte Fitz Roy und der Cerro Torre in voller Schönheit vor uns. Darauf warten andere tage- oder sogar wochenlang.
Als wir um 12:30 Uhr im Besucherzentrum des Nationalparks Los Glaciares in El Chaltén ankommen, ist der Ranger ganz aufgeregt. Einen solchen Sonnentag mit dieser Sicht und über 20°C gibt es nur einmal in x Wochen: jetzt sofort müsst ihr eure Wanderschuhe anziehen und zum Lago de los Tres am Fuß des Fitz Roy loswandern. 20 km, 1000 Meter bergauf und wieder bergab - um ein Uhr nachmittags? Klar, es ist lange hell und nehmt halt eure Stirnlampe mit - das ist sein Rat und wir ziehen los. Vier Stunden später stehen wir vor der 3405 Meter hohen Felswand des Monte Fitz Roy, die in der Sprache der Tehuelche-Indianer „El Chaltén“, der Rauchende, hieß.
Auf unserem Rückweg finden wir auf ein paar abgestorbenen Baumstämmen einen Rastplatz und essen zu Abend - im Hintergrund der Fitz Roy. Ein legendärer Berg verlangt nach legendärem Essen. Dazu haben wir Hackfleischküchli á la Lorchen im Rucksack (sorry, nur für Insider verständlich). Kurz nach 21 Uhr kommen wir müde, aber zufrieden an unserem Auto an. Wir brauchen keine Stirnlampen, es ist noch anderthalb Stunden hell.
Kehren wir nun zum Thema Kairos, d.h. günstigster Zeitpunkt, zurück. Wir warten auf ihn, um auch den Cerro Torre von der Nähe ohne Wolkenkleid bewundern zu können. Wir warten 5 Tage. Erster Tag: 12°C, Sturm, bedeckt und Nieselregen. Zweiter Tag: 3°C, Sturm, Regen. Dritter Tag: 6°C, Dauerregen. Vierter Tag: 3 bis 12°C Wind, erster Lichtblick durch die Wolken. Wir nutzen den Tag für eine kleine Wanderung zu den Miradores Los Condores und Las Aguilas. Fünfter Tag: Sonne, aber Berge immer noch wolkenverhangen, stürmisch. Immerhin reicht es für einen Abstecher und eine Spaziergang entlang der Bahía Túnel am Lago Viedma.
6. Tag: unser Tag! Wir wandern zum Lago Torres und … warten nochmals eine Stunde, bis „er“ uns die Gnade erweist, sich ganz und gar ohne Schleier zu zeigen.
Selbstverständlich verzichten wir auch diesmal nicht auf eine zünftige Mahlzeit: diesmal gibt es zu Ehren des Torre einen Pressack aus der fränkischen Heimat :-)
Dann aber will der Torre gar nicht mehr verschwinden. Auf dem ganzen Rückweg zeigt sich die Zacke, die so gar nicht an einen richtigen Berg erinnert: mal leicht umschleiert, mal mit Hut, dann wieder ganz und gar frei. Selbst von El Chaltén aus sieht man die Spitze des Cerro Torre noch in den Himmel ragen… und dann bedeckt er sich wieder für die nächsten Tage, der Wetterzyklus beginnt von vorn. Und wir fahren weiter in den Nationalpark Perito Moreno (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Gletscher). Vor uns liegen knapp 500 km und wir wissen noch nicht, dass wir dafür volle drei Tage brauchen werden …