Die nächsten Tage präsentieren sich wettertechnisch ähnlich durchwachsen. Zwar zeigt sich der Himmel ab und zu etwas heller, aber an den Bergen hängen immer noch die dunklen Wolken und jeden Nachmittag gibt es einen heftigen Schauer - wären da nicht die kühlen Temperaturen würde man sagen „tropisch“. Immer wieder schauen wir auf die Wetterkarte und müssen feststellen, dass es zu Hause, über 1000 km weiter nördlich, tatsächlich wärmer ist. Nur - da gibt es weder Nuraghen, noch Dolmen, noch Nekropolen*, noch schwarz-weiß gestreifte romanische Kirchen.
Zwischen all den Sehenswürdigkeiten entdecken wir, wie immer, völlig unbekannte Kleinode. Da ist zum Beispiel mitten in der Landschaft die Chiesa di San Maurizio. Steile, einspurige Zufahrt, aber herrliche Aussicht über die hügelige Landschaft. Hierher verirrt sich kein Mensch. Und doch richten die Italiener unter schattigen Bäumen einen Picknickplatz ein. Wieso gibt es so etwas bei uns in Deutschland eigentlich nicht?
Picknick bei der Kirche : Tische und Bänke aus dicken Steinplatten.
Wir bleiben zwei Tage und auf der Suche nach einer kleinen Wanderung durchs Feld entdecken wir auf der Karte gleich neun Nuraghen und Dolmen im näheren Umkreis. Diese Relikte aus grauer Vorzeit stehen hier sozusagen auf jedem Acker herum. Leider sind die Äcker alle eingezäunt und die dort weidenden Schafherden werden von mehr oder weniger scharfen Hunden bewacht. Schon nach einer Nuraghe und einem Dolmen verweigert Heike das Weitergehen - trotz Pfefferspray im Rucksack. Seit sie in Kalabrien letztes Jahr von fünf fletschenden Hirtenhunden umzingelt wurde, die auch der verschlafene Schäfer nicht mehr richtig bezwingen konnte, hat sie keine Lust auf so viel „Hund".
Nicht weniger leicht erreichbar ist der größte Dolmen im Mittelmeerraum, Dolmen die Sa Coveccada. Ein Schlagloch-übersäter Pfad, den das Navi sich weigert entlang zu fahren, führt zu diesem Monument, das dann außer uns und ein paar Archäologen auch keiner zu finden scheint. Zum Schluss muss noch ein letztes Weidegatter geöffnet werden und Rosinante steht direkt vor dem „Riesen“-Grab, das so riesig nun auch wieder nicht ist.
Nebenbei bemerkt: Gatter-Öffnen und -Schließen gehört in Afrika zum Tagesgeschäft und wohl deshalb schrecken wir nicht davor zurück und fahren mit Rosinante „vor“.
Die Cattedrale di San Pietro di Sorres bei Borutta beeindruckt uns doppelt. Nicht nur, weil ihre schwarz-weiß-gestreifte Bauweise unter den besuchten romanischen Kirchen einmalig ist, sondern auch, weil sie noch bewohnt ist. In den Nebensaison sind wir die einzigen Besucher und dürfen nachmittags um drei dem Stundengebet der Benediktinermönche beiwohnen. Ihr Gebet und Gesang hallt in der leeren Kirche und die Architektur beeindruckt über Auge und Ohr doppelt.
Eine Woche lang hangeln wir uns durch die Gebirgsregion im Westen von Nuraghen zu Dolmen, von Dolmen zu Kirchen und zurück. Besuchen dazwischen die Nekropolen di Sant’andrea Priu, den Quellenpark Siete Funtes, den Wasserfall Sos Molinos, trinken natürlich jeden Tag den kultigen eleven-o-clock-Espresso - auch wenn es manchmal deutlich später ist - und landen dann in Cabras an der Küste. Noch ein letztes Museum, in dem die Funde aus den nuraghischen Nekropolen der Umgebung ausgestellt werden: monumentale Stein-Krieger, Boxer und Bogenschützen. Ein kulturelles Highlight, bevor wir uns in die reine Natur der Costa Verde begeben.
Zwei Welten vereint: Kirche und Nuraghe Santa Sabina
* Nuraghen sind prähistorische zylindrische Turm-Häuser, Dolmen aus riesigen Felsblöcken errichtete Grabstätten und Nekropolen Totenstädte. Wer es genauer wissen will, der bemühe Wikipedia :-)