Freiwillig sind wir hier nicht! - Erlebnisse am Rio Mantaro

Am anderen Ufer steht das iMobil im Flussbett - besser geht’s nicht!

Nach zwei Tagen städtischer Hektik in Ayacucho haben wir das Verlangen nach einem richtig ruhigen Übernachtungsplatz - und finden in iOverlander tatsächlich einen Tipp in einem Seitental des Rio Mantaro: „Swing Bridge - at night this is a totally quiet and lonely spot to stay - only river, birds and crickets…“ das hört sich nicht nur perfekt an, sondern entpuppt sich als traumhaftes Plätzchen in einem fast ausgetrockneten Flussbett. Klar, wir stellen uns etwas erhöht ans Ufer - in Afrika haben wir gelernt: man weiß nie, "wann der Fluss kommt“, und richten uns auf eine ruhige Nacht ein.

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Es ist schon längst stockdunkel, da hören wir gegen halb elf Stimmen mit Taschenlampen um unser Auto schleichen. Nach Überfall hört sich das nicht an, eher nach Ratlosigkeit. Peter springt als erstes aus dem Bett und sieht sich fünf Männern gegenüber. Wo wir herkommen? Wo wir hin wollen? Was wir hier arbeiten? - Ja, gar nichts, wir sind auf Urlaub. Warum wir ausgerechnet hier stehen? - Na, weil das so ein schönes, ruhiges Plätzchen ist...

Es stellt sich heraus, dass der junge Sicherheitsbeauftragte des für uns unsichtbaren Dorfes mit dem Ältestenrat vorbei gekommen ist (ein halbe Stunde Fußweg einfach!) und uns bewegen will, dass wir hier wegfahren. Wir verstehen an diesem Abend überhaupt nicht warum, beteuern, dass wir nur auf Urlaub sind und uns hier absolut sicher fühlen für die Nacht und am nächsten Morgen weiter fahren werden. Gott sei Dank versteht ein älterer Herr die Situation und lenkt ein. Auf ihrem Rückweg ins Dorf sehen wir, wie im Gänsemarsch die Taschenlampen über die Hängebrücke funseln. 

Bevor wir am nächsten Morgen weiterfahren, balancieren auch wir über die nicht gerade vertrauenswürdige Hängebrücken-Konstruktion und erkunden wenigstens wo das Dorf liegt. 

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Die eigentlichen Brückenpfeiler sind vom Fluss weggerissen.
Leichte Autos können über die „Tiefbrücke“ fahren, Fußgänger nehmen die Abkürzung über die Hängebrücke.

Und wir können es nicht glauben: einen Abend später und 70 Kilometer entfernt haben wir das gleiche Erlebnis noch einmal. Diesmal kommt der Sicherheitstrupp etwas eher und lässt sich partout nicht davon überzeugen, dass wir an unserem Platz „in der Pampa“ stehen bleiben wollen. Wir müssen an diesem Abend zwei Kilometer weiter ins nächste Dorf fahren - dort sind wir sicher, sagen sie uns, hier nicht. 

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Nach den unverständlichen Erklärungen unserer Besucher lesen wir die Sicherheitsinformationen des auswärtigen Amtes noch einmal ganz genau nach und verstehen den Hintergrund dann etwas besser: Unter anderem wurde auch in der Region um den Rio Mantaro, in der wir uns gerade aufhalten, im Kampf gegen den Drogenhandel der Ausnahmezustand ausgerufen. In den Dörfern sind Sicherheitsposten installiert, die nachts patrouillieren. Sie bekommen Ärger mit der Polizei und ihrer Regierung, wenn etwas vorfällt. Wir lernen: entweder wir müssen direkt auf dem Dorfplatz übernachten (freiwillig bestimmt nicht!) oder weit, weit weg in der Prärie, wo uns bestimmt kein Sicherheitstrupp entdeckt. Letztes ziehen wir für die nächsten Tage vor.

In dieser herrlichen Landschaft muss man wirklich nicht unter einer Straßenlampe auf dem Dorfplatz übernachten.


Nach zwei Tagen Fahrt durch die Anden und 27 Kilometer vor unserem angepeilten Übernachtungsplatz stehen wir im Nest Mariscal Cáceres am Rio Mantaro vor einer gesperrten Brücke. Alternativen: zurück (no!) oder auf einer einspurigen Schotterpiste über einen 4150 m hohen Pass ins nächste Tal. Auf unserer Umleitung (70 km, 3 bis 4 Stunden) landen wir aber letztendlich an diesem wunderschönen Übernachtungsplatz hoch über dem Dorf Pampas. Kein Overlander hat sich jemals hierher verirrt - und es spürt uns auch kein Sicherheitstrupp auf seinem nächtlichen Kontrollgang auf!

Ziemlich unfreiwillig stehen wir 70 km von unserem geplanten Übernachtungsplatz entfernt. Aber mit 270° Blick!

Wir finden, dass wir einen Ruhetag verdient haben und bleiben einen weiteren Tag an diesem 270°-Panoramapunkt. Wir müssen unbedingt die weitere Route planen, denn wenn wir uns die Karte anschauen, sind wir in den letzten zwei Wochen nicht gerade weit vorangekommen. Das Ergebnis ist nicht nur, dass wir jetzt ein paar Fahrtage einschieben, um schnell in die 800 km entfernte Peruanische Schweiz zu kommen, sondern auch, wie die zwei weiteren Etappen Südamerika aussehen. Wir verraten noch nicht alles, aber im Moment ist eine Amazon-Fahrt mit dem iMobil hoch in Kurs. Außerdem legt Peter einen Instagram Account alles_selbst_erlebt an und während wir, die vermeintlichen IT-Spezies, noch mit der Technik kämpfen, haben wir die ersten Follower der unter-20-Generation. Das glaubt uns kein Mensch!

…Ein Jahr später: Instagram fragt uns, wie alt „Alles-selbst-erlebt“ ist. Peter trägt 0 Jahre ein. Keine gute Idee. Man muss nämlich mindestens 13 Jahre alt sein, um auf Instagram posten zu dürfen. Aber nachdem wir kapiert haben, was passieren würden, half alles Intervenieren, zehnmaliges Schicken der Ausweiskopie, etc. nichts. Wir konnten das Alter nicht mehr ändern. Alle Fotos inklusive Account wurden gelöscht…

… noch ein Jahr später: den Account haben wir wieder eingerichtet, die Fotos sind natürlich weg. Richtige Instagrammer sind wir trotzdem nicht.

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Mit dem Ausblick von unserem unfreiwilligen Übernachtungsplatz sind wir mehr als zufrieden.



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