Alles selbst erlebt!

Unser „iMobil“ - Iveco Daily 4x4

Knutshoe, Norwegen.

Wahl des Fahrzeuges

Folgende Kriterien waren für uns wichtig, in ungeordneter Reihenfolge:

Unabhängigkeit

Wir wollen auch entfernte Ziele mit ausreichend Zeit bereisen können und mindestens eine Woche unabhängig von ziviler Infrastruktur sein.

Kapazität

Wir wandern gern und sind ambitionierte Hobby-Fotografen. Das Gewicht und Volumen unserer Ausrüstung muss verstaut werden. Leider kann man die Ausrüstung nicht gut selektieren, eigentlich braucht man immer alles, jedenfalls mindestens für drei Jahreszeiten. Wir waren in Afrika mit Handschuhen und Mütze wandern und haben nicht viel später den Sonnenschutz aufgespannt!

Kompakt und leicht

Wir hatten viele tolle Gegenden im Kopf, in die man nur mit einem relativ kompakten und leichten Reise-Vehikel erreichen kann. Dieser Aspekt hat letztendlich unsere Entscheidung am meisten beeinflusst.

Handhabbarkeit

Unser Transportmittel soll uns bei der Reise unterstützen, nicht behindern. Zum Beispiel muss die Verschiffung auf andere Kontinente einfach realisierbar und bezahlbar sein.

Kosten

Neben den Anschaffungskosten waren für uns insbesondere die laufenden Kosten wichtig - für vermutlich 300.000 km in 10 bis 15 Jahren rund um die Welt.

Komfort

Mehrere Monate unterwegs sein ist toll, es ist aber auch anstrengend. Ein gewisses Maß an Komfort ist daher ein wichtiger Aspekt, die Freude am Reisen zu erhalten. Absolutes Muss: Toilette und Dusche. Außerdem - man wird nicht jünger …

Robustheit

Wir denken gar nicht so sehr an extreme Geländegängigkeit, eher schon an die rauen Pisten auf fernen Kontinenten.

Diese Anforderungen widersprechen sich und man muss einen Kompromiss finden. Wir haben uns für einen leichten Allrad LKW entschieden - Iveco Daily 4x4 mit 5,5 t zulässigem Gesamtgewicht - und haben darauf von der Firma Bocklet eine Wohnkabine nach unseren ganz individuellen Wünschen montieren lassen. Dieses Vehikel ist gerade noch kompakt genug, um alle unsere Reiseziele tatsächlich auch zu erreichen, auch wenn wir schon manchmal Zentimeter für Zentimeter manövrieren mussten. Gleichzeitig bietet uns die Technik und das Ambiente der Wohnkabine ein extrem funktionelles und auch angenehmes zweites Zuhause. Wir haben auch in der Rückschau die richtige Entscheidung getroffen und das ist ja schon mal ein guter Start!

 

Urlaub mit dem Dachzelt, Namibia.

Alternative Fahrzeuge

Unsere Kriterien bei der Fahrzeugwahl haben wir im vorhergehenden Kapitel beschrieben. Während des Entscheidungsprozesses haben wir auch folgende Konzepte verfolgt, jedoch aus den unten aufgeführten Gründen verworfen:

Ein Allradfahrzeug bis 3,5 t

Ein Toyota Landcruiser bzw. Hilux, Land Rover Defender oder Mercedes G mit Dachzelt/Hubdach/Innenausbau ist wohl mit Abstand die häufigste Wahl für ein Reisefahrzeug, wenn es auf große Tour gehen soll. Und das aus guten Gründen: Diese Fahrzeuge sind robust, geländegängig, kompakt und ein akzeptabler Kompromiss zwischen Kosten und Komfort. Es gibt viele Fans, für manche sind diese Fahrzeuge einfach Kult und wir können das gut verstehen. Bei nüchterner Betrachtung sehen wir gemessen an unseren Anforderungen jedoch folgende k.o.-Kriterien:

  • Die maximale Zuladung beträgt ca. 1 Tonne. Das klingt viel, aber für den Innenausbau des Fahrzeuges, die Ausrüstung, Treibstoff und Wasser für die große Tour kommt einiges zusammen. Im Ergebnis ist man nahe am Gewichtslimit, in den meisten Fällen dauerhaft darüber. Auch wenn das die Polizei im östlichen Afrika kaum interessiert, stellt die dauerhafte Überlastung von Fahrgestell, Bremsen und Reifen ein ernsthaftes Problem dar. Kommen schlechte Straßen mit Schlaglöchern, Wellblech-Pisten und off-road-Fahrten hinzu sind die Ausfälle und Reparaturen vorprogrammiert. Außerdem sind diese Fahrzeuge so konstruiert, dass der Großteil der Zuladung auf der Hinterachse lastet, was das Gewichtsproblem weiter verschärft.
  • Die Kosten: Der Basis-Listenpreis liest sich, Ausnahme Mercedes G, erst einmal recht moderat. Für etwa 35 TEUR ist ein Neufahrzeug in vernünftiger Ausstattung zu haben. Addiert man jedoch die Kosten für den unverzichtbaren Ausbau hinzu, sind das schnell 50 … 60 TEUR. Kommen weitere Optionen hinzu, ist man bei 80 TEUR und die voll ausgestatteten Fahrzeuge der einschlägigen Anbieter kosten bis 110 TEUR. Das ist dann schon extrem viel Geld gemessen am Gegenwert. Man kann diese Kosten durch Eigenleistung reduzieren, das kam für uns aus Zeitgründen jedoch nicht in Frage. Am Ende fanden wir das Preis-/ Leistungsverhältnis für diese Fahrzeugklasse definitiv nicht attraktiv.
  • Die erreichbare Langzeitreise-Tauglichkeit: Zugegeben, hier geht es um Komfort, aber eine eigene Nasszelle ist nicht nur Luxus, sondern erweitert die Einsatzmöglichkeiten ganz entscheidend. Auch die Wintertauglichkeit und die Nutzbarkeit unter rauen Bedingungen sind eingeschränkt. Kräftigen Wind gibt es nicht nur in Patagonien, sondern auch in Afrika und dann kann man ein Dachzelt nicht mal mehr aufklappen, geschweige denn darin schlafen.
  • Diese Fahrzeuge sind für den robusten Einsatz gebaut, kommen aber bedingt durch technische Vorschriften heute nicht mehr ohne modernen Motor und Abgassysteme aus. Das ist zwar kein Nachteil gegenüber anderen Fahrzeugen, aber längst auch kein Vorteil mehr. Wir alle schlagen uns weltweit mit Ersatzteilbeschaffung und der Qualität der Treibstoffe und Schmiermittel herum. Ein Ausweg bietet lediglich der Kauf eines älteren Fahrzeuges und das am besten im Zielland - auch nicht trivial!

Das alles bedeutet nicht, dass man in einem Landy nicht die Welt umrunden kann. Ganz im Gegenteil, sehr viele machen das und haben eine tolle Zeit! Wir haben uns allerdings schon nach 3 Wochen Dachzelt-Urlaub sehnlichst eine eigene Dusche gewünscht und wollten uns für eine mehrmonatige Reise diesen Luxus nicht vorenthalten.

Ein Kastenwagen-Ausbau

Will man mehr Innenraum und/oder mehr Zuladung ist die nächste Option der Ausbau eines Kastenwagens, etwa auf Basis eines Mercedes Sprinter oder auch VW Minivan. Preislich bewegt man sich in der gleichen Klasse wie bei den oben beschriebenen Allrad-Fahrzeugen. Das Raumangebot ist etwas besser, dafür muss man deutliche Einschränkungen in Bezug auf Robustheit und erst recht bei der Geländetauglichkeit hinnehmen. Selbst Total-Umbauten, wie sie etwa von der Firma Iglhaut für den Mercedes Sprinter angeboten werden, ändern daran grundsätzlich nichts. Und dafür, dass das gesamte Fahrgestell ausgetauscht wird, ein Reduktionsgetriebe und Differentialsperren installiert werden, legt man 25 TEuro auf den Tisch. Gemessen an unserenAnforderungen an Geländetauglichkeit war auch das nicht der Durchbruch.

 

Ein Allrad-LKW mit 7,5 t oder schwerer

Sie sehen imposant aus, aber die LKWs mit 7,5 zulässiger Gesamtmasse haben eine zu geringe Zuladung. Das mag erstaunen, liegt aber daran, dass es sich oft um einen 10-Tonnen-LKW handelt, der konstruktiv bedingt ein entsprechendes Leergewicht mitbringt. Damit droht bei Überladung zwar kein Schaden, aber in Europa bekommt man nun mal Ärger mit der Polizei und Versicherung. Greift man zu den Sternen und liebäugelt mit einem geländegängigen LKW mit 10 … 15 t Gesamtmasse handelt man sich an diesem Ende des Fahrzeug-Spektrums andere Nachteile ein: hohe Anschaffungs- und Betriebskosten (bei sicher gutem Preis-/Volumenverhältnis, wahrscheinlich dem besten im gesamten Markt) und vor allem die schiere physische Größe.

Wir haben sofort eine Reihe von Reisezielen im Kopf, die wir in einem solch großen Fahrzeug schlichtweg nicht erreicht hätten. Das wäre natürlich sehr schade gewesen! Dennoch, wer sein Zuhause aufgibt und für lange Zeit oder dauerhaft unterwegs ist, hat in einem solchen Wagen ein tolles zweites Heim. Und es gibt eine attraktive Variante in dieser Fahrzeugklasse: Der Kauf eines LKW mit robuster Technik aus den 80-er Jahren mit geringer Laufleistung, die gründliche technische Überholung und anschließend der Auf- und Ausbau einer Kabine in Eigenleistung. Dafür muss man aber realistisch mehrere Jahre intensiver Arbeit einplanen und auch während der Nutzungsphase bereit sein, Zeit und Geld für Reparaturen aufzubringen. Schließlich braucht man noch viel Glück, um ein solches Fahrzeug als günstigen Gebrauchten überhaupt zu finden und zu erstehen.

Ein Motorrad!

Auch ein Zweirad ist eine valide Alternative zur Fortbewegung. Und mehr noch, es hat wesentliche Vorteile gegenüber allen Autos: klein, leicht, wendig und vor allem ist man unmittelbar dran am Geschehen! Auch ist es unschlagbar bei denAnschaffungs- und Betriebskosten. Allerdings muss man sich auch mit einigen Nachteilen arrangieren. Man ist den Elementen ausgesetzt, was gerade in den entlegenen Gegenden dieser Welt sehr anstrengend werden kann. Die begrenzte Tankkapazität und Zuladung setzen der Reichweite und dem Komfort unterwegs klare Grenzen. Dennoch, wer sich jung und fit genug fühlt, hat bei einer Motorradreise sicher unvergessliche Erlebnisse. Das hat Joshua Steinberg im Alter von 25 Jahren bei seiner Tour von Deutschland durch Westafrika bis nach Kapstadt klar bewiesen. Wir haben ihn in Lusaka getroffen und waren sehr beeindruckt!

Was für ein Motorrad gilt, gilt für ein Fahrrad in verschärftem Maße. Wir waren sehr erstaunt wie viele Fahrrad-Reisende wir selbst in Afrika getroffen haben. Aber hier sind wir dann schon fast im Bereich des Extremsports.

Unter dem Strich bleibt die Erkenntnis: Es gibt sehr unterschiedliche Fahrzeugkonzepte mit ganz spezifischen Vor- und Nachteilen. Eigentlich sollte jeder das passende Reisefahrzeug finden können, man muss sich nur darüber im klaren sein, welches Gesamtpaket man sich dabei einhandelt.

Es gehen auch mal fünf aufs Moped, Ruanda.

Wahl der Wohnkabine

Nachdem die Entscheidung für das Basisfahrzeug getroffen war, musste ein Anbieter für die Wohnkabine ausgewählt werden. Wir haben die Messe Abenteuer Allrad in Bad Kissingen und die Caravan in Düsseldorf besucht und uns dort einen Überblick verschafft. Nach einer Vorauswahl haben wir vier formale Angebote eingeholt und die konstruktiven Details sowie Optionen diskutiert. Nach mehr als sechs Monaten haben wir uns für die Firma Bocklet Fahrzeugbau in Koblenz entschieden. Hier unsere Beweggründe:

  • Alle unsere Anforderungen an die Ausstattung und das Design der Wohnkabine wurden ohne Abstriche erfüllt. Unsere Sonderwünsche wurden unter fachkundiger Beratung realisiert.
  • Die Firma Bocklet existierte damals bereits seit 25 Jahren. Es werden nach eigenen Angaben ca. 20 Fahrzeuge pro Jahr gebaut. Der damalige Firmenchef, Michael Bocklet, war auch als KFZ-Sachverständiger tätig. Insgesamt gehören knapp 20 Angestellte in allen wichtigen Gewerken zum festen Team. Das alles versprach eine qualitativ hochwertige Ausführung.
  • Während der Diskussionen über Ausstattungsdetails und Alternativen dazu wurde deutlich, dass die Firma Bocklet auf sehr umfangreiche Erfahrung zurück greift. Zu allen Fragen gab es eine fundierte Meinung, die praxisnah begründet wurde. Wir hatten auch den Eindruck, dass diese Erfahrungen schrittweise in die Verbesserung der konstruktiven Details einfließt.
  • Koblenz ist 120 km entfernt von unserem Wohnort, womit Vor-Ort-Termine jederzeit einfach realisierbar waren.
  • Der Preis für die Kabine ist hoch, aber marktgerecht.

Heute können wir mit Gewissheit sagen, dass unsere Anforderungen gut verstanden und schlüssig umgesetzt wurden. Die Wohnkabine entspricht in ihrem praktischen Nutzwert voll unseren Erwartungen. Das ist ja schon mal ein Volltreffer. Zusätzlich freuen wir uns an einer handwerklich makellosen Umsetzung.

Hin und wieder muss Peter doch mal in den Motor eintauchen, Südafrika.

Praktische Erfahrungen mit unserem Auto

Wir haben der Fahrzeugauswahl und den Details der Wohnkabine viel Aufmerksamkeit gewidmet, um so unserem idealen Reisefahrzeug möglichst nah zu kommen. Entsprechend hoch sind jetzt die Erwartungen an die Praxistauglichkeit. Nach den ersten 400 Reise-Tagen, die eine Hälfte in Europa die andere in Afrika, können wir berichten:


Zum Basisfahrzeug Iveco Daily 4x4

+ extrem robust; eigentlich noch besser, als erwartet

+ sehr gute Geländetauglichkeit; wir haben auch unsere entlegensten Reiseziele erreicht und sind nur sehr sehr selten umgekehrt, und dann auch nur, weil uns der absehbare (Reifen-)Verschleiß zu groß war

+ sehr guter Motor mit ausreichend Leistung und Drehmoment für 5 t Gesamtmasse

+ vergleichsweise sehr geringer Dieselverbrauch von 15 l/100 km auf der Straße und 20 l im Gelände

+ mit dem Michelin XZL ein hervorragender Geländereifen ab Werk (als kostenpflichtige Option)

- Die Fertigungsqualität ist miserabel. Das Fahrgestell kam verrostet, das Verteilergetriebe musste zweimal ausgetauscht werden, die Hydraulik für die Differentialsperren versagte den Dienst und es gab eine Vielzahl weiterer Mängel, die als Garantieleistung behoben werden mussten. Dafür haben wir die vollen zwei Jahre Garantiezeit nutzen müssen.

- Der Standard-Tank fasst nur 90 l. Wir haben das kompensiert mit einem Zusatztank und zwei Kanistern, die die Tankkapazität auf mehr als 240 l verbessern. Das ergibt auch im Gelände mindestens 1000 km Reichweite, was unter allen Bedingungen ausreichend war.

Zur Wohnkabine der Firma Bocklet

+ sinnvolle Vollausstattung mit allem, was man für eine Weltreise braucht. Hoch funktional.

+ ausgezeichnete Qualität der handwerklichen Ausführung

+ robuste Konstruktion mit praxiserprobten Details

+ absolut staubdicht und bisher problemlos genutzt in einem Temperaturbereich von -15 bis +40 °C

+ vergleichsweise sehr gutes Angebot an Stauraum und eine sinnvolle Aufteilung

+ durchdachtes Raumkonzept der Kabine, die trotz begrenzter Größe einen guten Wohnkomfort für zwei Personen bietet

+ reisefertig beladen und mit gefüllten Tanks für Treibstoff und Wasser bleibt das Fahrzeug-Gesamtgewicht unter den zulässigen 5,5 t

+ kulante Nachbesserung der kleineren Mängel

+ auch nach Fertigstellung bereitwillige Erweiterung um Details, die rein finanziell sicher nicht mehr so attraktiv waren

+ gute Reaktionszeit bei Anfragen/Problemen

- auch wenn der Preis offensichtlich die Marktgegebenheiten widerspiegelt und der Aufwand nicht zu unterschätzen ist: Die Kabine ist teuer.

- Der Gewichts-Schwerpunkt des Gesamtfahrzeuges liegt ca. 1,50 m hoch, was die Geländetauglichkeit einschränkt. Auch die Höhe von 3,20 m bei einer Breite von 2,15 m an der Dachkante erfordert manchmal ganz vorsichtiges Manövrieren.

- Die GFK-Außenhaut ist Hochglanz-lackiert, was sie besonders empfindlich gegenüber Kratzern durch Sträucher/Bäume macht. Hier hätten wir uns eine robustere Beschichtung gewünscht.

- Zum Durchgang zwischen Fahrerhaus und Wohnkabine sind wir uns noch nicht so sicher, ob dieser Aufwand wirklich notwendig war. Wir haben diesen bisher kaum genutzt, gleichzeitig handelt man sich eine ganze Reihe handfester Nachteile ein: Staub, Geräusche, Wärmeisolation, Kosten für den Bau.

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