Alles selbst erlebt! In Deutschland.

Hochsommer noch im September: Lüneburger Heide und Ostsee 

Fast für uns allein - Naturcampingplatz Alt Reddevitz auf Rügen.

Sagten wir nicht in der Einleitung zu Deutschland - jede Jahreszeit gibt ihr Bestes? Der diesjährige September ist einfach nur grandios! Seit drei Wochen haben wir jeden Tag neun bis zehn Stunden Sonnenschein und bis über die Septembermitte hinaus Temperaturen von 30° C. Im Freien frühstücken, bis spät in die Nacht noch am Feuer sitzen - wenn es denn erlaubt ist, eines zu machen - , so kann man das Outdoor-Leben auch in Deutschland in vollen Zügen genießen.     

 

Diesmal haben wir unsere Fahrräder mitgenommen, um die flachen Landschaften der Lüneburger Heide und der Ostsee zu erkunden. Nicht nur wir haben diese Idee. Drei Wochen lang lernen wir Deutschland als Fahrradnation kennen. Die Minderheit Fußgänger hat, wie alle Minderheiten, auf den gemeinsam genutzten Wegen eindeutig einen schwierigen Stand…

 

faszinieren sie so manchen Fahrrad-Freak, wie hier auf dem Wilseder Berg.

Unsere 20 Jahre alten „Klein“-Räder sind mittlerweile Kult. Nicht nur auf dem Rücken des iMobils, …

Anfahrt über die Lüneburger Heide

Wir sind mehr als positiv überrascht - die Lüneburger Heide ist für den Tourismus optimal präpariert: ein gut ausgebautes Netz von Wander- und Radwegen, aufschlussreiche(!) Informationstafeln und Hinweisschilder, sogar Toiletten wurden nicht vergessen. Und man ist Wohnmobil-freundlich! Wir finden schöne und ruhige Übernachtungsplätze, für die wir den symbolischen Preis von 2 EUR pro Nacht bezahlen und die wenigen Verbotsschilder verweisen auf „legale“ Alternativen. 

Zwar sind wir nicht mehr ganz in der Heideblüte-Hoch-Zeit gekommen, finden aber immer noch genügend lilafarbene Teppiche vor uns ausgebreitet. Meist sind wir auf unseren Radtouren allein auf weiter Flur, genau so wie wir es mögen. Unsere Mountainbikes machen sich gut in dem oft sandigen Terrain - trotzdem fahren hin und wieder vollkommen unsportlich aussehende Leute ziemlich leichtfüßig an uns vorbei. Das e-Bike hat seinen Siegeszug angetreten - für echte Strampler frustrierend :-) 


Obwohl unsere Vorstellung einer „Schweiz“ von der der Niedersachsen offensichtlich abweicht, üben die etwas hügeligen Landschaften der Borsteler Schweiz und um den Wilseder Berg - immerhin 169 m hoch - den größten Reiz auf uns  aus. 

Unbedingt erwähnenswert ist das Wetter: eine Woche lang zwischen 26 °C und 30 °C - ist es tatsächlich Anfang September?

Ostsee

Drei Wochen lang haben wir traumhaftes Wetter an der Ostsee - Ostseebad Kühlungsborn.

Leider setzen sich die positiven Eindrücke unserer Tour durch den Norden bei unserer ersten Station an der Ostsee nicht fort. In der Gegend um Boltenhagen möchte man die Wohnmobil-Fahrer am liebsten verbannen - oder wenigstens abzocken. In Steinbeck übernachten wir auf einem ruhigen Parkplatz direkt am Strand. In traumhafter Lage - keine Frage. Dafür bezahlen wir 20 EUR, nämlich 10 EUR bis Mitternacht und noch einmal 10 EUR für den angebrochenen neuen Tag - das ist neuer Rekord für einen Übernachtungsplatz ohne Toilette, Wasser, etc.  Ahrenshoop hat den Eifer, das noch zu toppen. Hier werden auf dem einzigen für Wohnmobil zugelassenen und wenig idyllischen Parkplatz 25 EUR für die Nacht fällig. Wir haben von Leuten gelesen, die die Stadt wegen Wucherei belangen wollen…   Wir fahren so und so lieber weiter ins ruhige Born am Darß und stellen uns auf einen ebenso ruhigen, wie idyllischen Campingplatz am Bodden.


Insgesamt drängt sich uns aber der Eindruck auf, dass man an der Ostsee immer noch dafür kassieren möchte, dass man „halt ein Ostseebad" ist. Eine adäquate Gegenleistung bleibt dabei leider zu oft auf der Strecke.

Die Festonallee ist in Deutschland „einzigartig“. Uns beeindruckt die Innenausstattung des Schlosses dennoch wesentlich mehr.

In Klütz wollen wir das Schloss Bothmer besichtigen. Auch hier darf unser iMobil leider nur verboten parken. Wir werden für unsere Hartnäckigkeit aber reichlich belohnt: Die barocke Schlossanlage wurde komplett restauriert und erst 2015 als Museum eröffnet. Die Ausstellung gibt nicht nur den Blick auf die ursprüngliche Architektur frei, sondern beschreibt das skurrile Leben des Hans Casper von Bothmer, der das Schloss als Statussymbol bauen ließ, aber selbst nie dazu kam, es auch nur ein einziges Mal zu besuchen, geschweige denn darin zu wohnen. 

Mehrmals wieder aufgebaut : Die Seebrücke von Sellin.

Natürlich lassen wir uns von den manchmal widrigen Umständen nicht abhalten, die Ostseeküste zu genießen. Peter hat als ehemaliger DDR-Bürger vor 30 Jahren davon geträumt, wenigstens einmal in einem Ostseebad Urlaub machen zu dürfen. Nun hat er sich in den Kopf gesetzt, dass wir alle Ostseebäder besuchen und auf jeder Seebrücke einmal auf und ab flanieren:

Boltenhagen mit der Weißen Wiek (gefällt uns gar nicht), die Insel Poel, Rerik (schön), Kühlungsborn, Heiligendamm (fürchterlich), Ahrenshoop (schönes kleines Städtchen ohne Bausünden und traumhaftem Strand), Prerow, Zingst und dann auch Sellin auf Rügen (gefällt uns am besten). Natürlich haben alle diese Städte in den letzten 20 Jahren große Anstrengungen unternommen, den Anschluss an den modernen Tourismus zu finden. Sie sind modern restauriert, für den Ansturm im Sommer präpariert und unternehmen alles Erdenkliche, den Tourist zu unterhalten. Leider gewinnen wir auch hier den Eindruck, dass an vielen Stellen der arrogante Gedanke „Wir-sind-die-Ostsee“ den Servicegedanken überwiegt…  

Viel besser als die berühmten Bäderstädte gefallen uns die verschlafenen Fischerdörfer. Born und Wiek auf dem Darß liegen am Bodstedter Bodden, d.h. auf der der Ostsee abgewandten Seite der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst. Man hat sie wohl bei der großen Bäderwelle Anfang des 20. Jahrhunderts vergessen, wovon sie heute profitieren, denn sie haben sich ein Stück Ursprünglichkeit bewahrt. Reedgedeckte Häuser stehen in der „Buntigkeit“ im Wettbewerb miteinander, keine Teerstraße im ganzen Ort - wo gibt’s denn noch so was? 

Ein paar Tage später finden wir im östlichen Teil Rügens das verschlafene Reddevitz. Diese Dörfchen sind weniger überlaufen, Touri-Ramsch-Läden, Bimmelbahnen und schreiende Plakate, die für einen „Pott Kaffee“ oder eine „Thüringer Bratwurst“ (wer braucht die an der Ostsee?) werben, sind verschwunden. Hier fühlen wir uns gleich viel wohler!

Zu den echten Hightlights zählen wir die Besuche in Wismar und Stralsund. Ihre Altstädte machen der Auszeichnung als UNESCO Welterbe alle Ehre. Bei strahlendem Sonnenschein präsentieren sie, dass sie zu den besten Zeiten der Hanse im wahrsten Sinne des Wortes „steinreich“ waren.

 Auch wenn wir oft einen weiten Bogen um Städte machen …

…Wismar gefällt uns ausgesprochen gut.

Bis jetzt hört es sich an, als ob wir auf einer Städte- und Kulturreise wären. Sind wir nicht, beziehungsweise nicht nur. Wie immer suchen wir uns ruhige, etwas abgelegene Plätze zum Übernachten und von dort erkunden wir die Umgebung mit dem Rad - und zwar jeden Tag. Unsere Rundtouren führen dann auch an den oben erwähnten Seebrücken vorbei, unsere Zeit aber verbringen wir in der Natur. Wir sehen zwischen den Dünen am Darßer Ort die Hirsche bei der Brunft und warten bei Sonnenuntergang am Fliegerberg (Rügen) auf den Seeadler, der leider nicht erscheint. Wir fahren durch den Darßer Urwald, spazieren auf Rügen entlang der Steilküste und in den Zicker Bergen, sonnen uns am Strand und springen sogar kurz (!) in die 17 °C kalten Fluten.

 

Für uns überraschend: zum Darßer Ort fahren wir 10 km durch Wälder.

Und zu guter Letzt müssen wir noch unbedingt die FKK-Kultur an der Ostsee erwähnen. Das ist wohl einmalig, dass man sich fast überall „die Kleider vom Leib rupfen kann“ (sehr praktisch für spontane Fahrradfahrer!) und TEXTIL-Strände eigens ausgewiesen sind. Wieder einmal typisch deutsch!

Drei Wochen lang haben wir traumhaftes Wetter an der Ostsee - Ostseebad Kühlungsborn.

Anfang September …

Bei 30° und strahlend blauem Himmel …

letztes Aufblühen in der Lüneburger Heide.

Ostseebad Kühlungsborn.

Sonnenuntergang auf Gertrud II, unserem Seekajak. 

In den Zickerbergen auf Rügen.

Schlösser wie das Jagdschloss Granit liegen in Deutschland sozusagen auf dem Weg.

Häuserwettbewerb in den kleinen Fischerdörfern auf Rügen.

Fährbetrieb für Fußgänger und Fahrräder.

Auf dem Rückweg in der Mecklenburger Seenplatte …

zieht Ende September langsam der Herbst ein.

25/09/2016

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