Einzigartig schön und chaotisch: La Paz und El Alto

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 La Paz und El Alto: Häuser, Häuser, Häuser überziehen die Berge von 3200 m bis auf 4100 m. Ein faszinierender Moloch.

Wir kommen von Titicacasee und wollen nach Las Lomas, einem „besseren“ Viertel von La Paz. Dort liegt der „Campingplatz", auf dem alle unsere Reisefreunde übernachtet haben. Es gibt wohl keine echte Alternative. Aber: dazu müssen wir von West nach Ost einmal quer durch die ganze Stadt bzw. durch El Alto, eine Millionenstadt als Vorort, und La Paz, eine fast Millionenstadt. Haben wir das verdient?

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Schon nach zehn Minuten erkennen wir: In El Alto herrscht Chaos auf den Straßen. Der Verkehr ist gesetzlos. Man fährt nicht, wenn grün ist, man stoppt nicht, wenn rot ist. Ampeln haben keinerlei Bedeutung. Man fährt immer dann, wenn zehn Zentimeter Platz geworden sind. Immer schön auf die Kreuzung drauf. Von rechts und links. Am liebsten noch von oben und unten. Hupen. Verkeilen. Dauerhupen. Fluchen. Bloß nicht nachgeben. Immer noch ein bisschen mehr drängeln. Mir wird Angst und Bange um unser Auto und um die Menschen, die sich zwischen das Blech drängeln. Peter gibt sich cool und fährt auch schon mal los, obwohl die Ampfel noch sieben Sekunden rot ist. Es ist ja Platz auf der Kreuzung. Sonst kommen wir hier zu nichts.



Ein bisschen länger dauert es, bis wir kapieren, dass auf der ersten Spur immer Taxis in Warteposition stehen, auf der zweiten des öfteren auch. Aber was heißt hier eigentlich Spur? Die sind allerhöchstens imaginär. Rechts steht man, links fährt man. In welche Richtung? Plötzlich kommt uns ein Geisterfahrer ganz rechts entgegen. Anarchie!

Wir brauchen drei Stunden für dreißig Kilometer. Rekordverdächtig.


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Zwei Tage später fahren wir einen ganzen Tag lang Teleférico, Seilbahn. Ein ausgedehntes Seilbahnsystem überzieht La Paz und El Alto. Das einzig sonnvolle Verkehrsmittel in einer Stadt, die sich über mehr als 900 (!) Höhenmeter zieht, von 3200 m bis auf 4100 m. Von oben ist das Verkehrschaos jetzt belustigend. Faszinierend, ja einzigartig, ist die Lage dieser Stadt. Nicht sieben Hügel, sondern zig zerklüftete Gipfel sind noch an den steilsten Hängen mit dem Häusermeer überzogen. Wir kommen aus dem Staunen nicht heraus. Und so fahren wir die Linea Verde (Grüne Linie), Linea Amarillo (gelbe Linie), Linea Celestre (Himmelblaue Linie) hin und zurück und vor allem rauf und runter. 

Sprachlos macht uns an diesem Tag die Freundlichkeit der BolivianerInnen. Zunächst hält ein Autofahrer für uns den Minibus an, dem wir hinterherhechten, dann spricht uns eine junge Frau im Bus in fließendem Deutsch an - sie hat in Siegen studiert. Da sie uns versehentlich zu früh aus dem Minibus aussteigen lässt, drängelt sie sich gegen den Strom durch die Fußgänger und findet uns fünf Minuten später vollkommen außer Atem. Sie begleitet uns zur Seilbahnstation, erklärt uns auf dem Weg dieses und jenes und und beantwortet unsere neugierigen Fragen.

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Als wir in El Alto aussteigen, werden wir von einer anderen Mitfahrerin sofort an den Aussichtspunkt geleitet. Unaufgefordert. Ohne zu fragen. Bei der Talfahrt geht es uns ähnlich. Wir werden wieder angesprochen. Wir kommen wieder ins Gespräch. Interessant ist, dass alle auf die Frage, wem denn die schönen Villen gehören, in folgender Reihenfolge antworten. Erst kommen die Politiker, dann die Geschäftsleute. Da unterscheidet sich das deutsche System doch deutlich von dem hiesigen.



Als wir später im Regierungsviertel bei Cappuccino und Kuchen im Writer’s Café sitzen, umgeben von dunkel getäfelten Wänden, einer Sammlung alter Schreibtischen und ein paar Regierungsbeamten, sind wir uns sicher: So etwas wäre in Peru nie passiert. Die Perunaer sind zwar freundlich, wenn man sie anspricht, aber sie würden einen niemals ansprechen. Die Bolivianer in La Paz sind ein anderer Menschenschlag, ein äußerst angenehmer. 

Unbedingt erwähnen muss man auch Marcos, den Campingplatzbesitzer. Die herzliche Begrüßung hat uns mit dem Verkehrschaos am ersten Tag versöhnt. Nicht nur, dass er uns Öl für unsere Achsen besorgt hat, im Moment essen wir zum Frühstück die selbstgemachte Quittenmarmelade seiner Frau :-)


Im Writer’s Café gibt es Mineralwasser mit Kohlensäure. Schon nach vier Wochen hatten wir vergessen, wie prickelnd das schmeckt! Wie immer gilt: ist das Ambiente und das Angebot auf Weltklassenivieau, dann gilt das auch für die Preise, 18 EUR für zwei Cappuccino, Kuchen und Wasser.



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