Alles selbst erlebt! 2023 in Brasilien.

Hunsrückisch oder „Mir schbresche da-itsch!“

Das glaubt uns doch kein Mensch! 

Diese Kulisse ist nicht im Hunsrück, sondern in Nova Petrópolis im Museum Esculturas Parque Pedras do Silêncio.

„Mir schbresche da-itsch!“, in der vierten oder fünften Generation, mündlich weitergegebenes, sehr breites Deutsch. „Riograndenser Hunsrückisch“ heißt das korrekt (nachzulesen in Wikipedia). Und aus dem Hunsrück kamen die meisten Ur-Ur-Ur-Großeltern tatsächlich her. Wir verstehen uns nicht immer, aber im Süden Brasiliens jeden Tag mehrfach (!) auf deutsch oder etwas Ähnlichem angesprochen zu werden, das ist kurios. Sehr kurios sogar. Die vierte Generation versteht das Wort „Wochenende“ nicht mehr, aber „Samschdoog un Sunndoog“.  In der Käserei „Nova Alemanha“ erklärt uns die Besitzerin auf Hochdeutsch (!), dass achtzig Prozent der Einwanderer-Nachkömmlinge noch deutsch sprechen können. Die Geschäfte heißen Schreinerei „Gottschalk“, Floristin „Ursula“, Touristenführer „Lehmann“, die Straßen „Alfredo Steglich“, auf den Grabsteinen steht Familie „Altmann“, „Becker“, „Enzweiler“,  „Johann“ und „Wagner“.

Die unglaublich Gastfreundlichen

In der Nähe von Nova Petrópolis existiert unser ausgesuchter Campingplatz leider nicht mehr. Was machen? Wild campen in einer solch touristischen Gegend ist nicht angesagt. Ich finde den Museumspark Esculturas Parque Pedras do Silêncio auf der Karte und wir hoffen auf einen netten Wächter, der uns auf dem großen Parkplatz davor schlafen lässt. 

Leider keiner da, wir stellen uns trotzdem hin. Eine Stunde später kommt der Sohn des Museumsgründers Heckler, spricht uns auf englisch an, leitet uns zum Übernachten samt Auto in das Museumsgelände. Wir bekommen noch eine kleine Privatführung durch den Park und jedwede Hilfe angeboten! Schon allein das ist unglaublich.

Am nächsten Morgen ist auch der Vater da. Er spricht deutsch hat die Idee für das Museum gehabt, das in Sandstein gemeißelt die Geschichte der deutsche Einwanderer erzählt. 

Für uns einigermaßen unverständlich, wie stolz man auf sein Deutsch-Sein sein kann. Und das in der vierten und fünften Generation oder vielleicht gerade deshalb?

Wir haben im Gelände geschlafen, wir haben uns den Park zweimal ausführlich angeschaut und durften keinen Eintritt bezahlen. Peter ging es an dem Tag nicht besonders gut, einige Tage später erkundigen sich die beiden nach seinem Befinden. Auch das ist alles unglaublich … 

Das haben die Einwanderer von den Ureinwohnern übernommen: den Mate-Tee. 

Germanistik Student vor Canyon

Im Fortaleza Canyon spricht uns zunächst ein Tourguides an: „Oh, wir haben auch deutsche Gäste!“ Er ist deutschstämmig, natürlich aus dem Hunsrück, hat vier Jahre in Würzburg und Berlin gearbeitet und spricht perfektes Deutsch. Nur eine halbe Stunde später fragt ein junger Mann am Aussichtspunkt: „Können Sie ein Bild von uns beiden machen?“. Er ist Brasilianer, nicht deutscher Abstammung, hat aber in Tübingen Germanistik studiert. 

Hier macht Peter ein Foto von den zwei Brasilianern. 

Die Jungen verstehen auch deutsch

Bei einer Wanderung - kein Mensch weit uns breit, nach einer Stunde überholen uns drei Quads. Da fragt uns der Guide, der mit einem brasilianischen jungen Pärchen auf einer quer-Feld-ein-Tour unterwegs ist, ob uns das tolle Auto gehört. Leichter Schweizer Akzent, die Mutter ist aus der Schweiz ausgewandert. Als wir ins Gespräch kommen, macht er uns darauf aufmerksam, dass auch die zwei jungen Leute deutsch verstehen! Sie arbeitet in Sao Paulo in der einer internationalen Firma und braucht ihr Deutsch jetzt ab und zu, das sie als Kind von der Oma gelernt hat.

Die Serra Gaucho ist Quad-Gebiet - mit deutsch sprechendem Führer.

„Von jedem Stück, des ma dovo isst, lebt ma een Doog länger!“

Wie schon unter Kulinarisches geschrieben, können wir uns in einer Konditorei zwischen all den Kuchen und Torten kaum entscheiden bis der Bäcker hinter der Theke sich einmischt und seinen Nuss-Rosinen-Kuchen auf hunsrückisch empfiehlt: „Von jedem Stück, des ma dovo isst, lebt ma een Doog länger!“ Nach dem Genuss, der an Schweizer Rüeblitorte erinnert, sind wir überzeugt: „Ma lebt gleich a ganzes Johr länger.“ Der Bäcker grinst verschmitzt über beide Backen. 

Als ich aber wissen will, ob tatsächlich Karotten, Möhren, Rüebli, Gelbe Rüben drin sind (danach gehen mir die Synonyme aus), versteht er mich nicht.  Wir müssen zu Google Translate greifen. Es ist keine „cenoura“ drin!

Von jedem Stück, des ma dovo isst, lebt ma een Doog länger!

Google Translate - Retter in der Not

Wir haben die deutsch-portugiesischen und englisch-portugiesischen Wörterbücher offline geladen und sind so jederzeit kommunikationsbereit. Man fragt deutsch ins Telefon, es kommt portugiesisch raus. Das Gegenüber spricht portugiesisch die Antwort. Einfach grandios!

Aber Ausnahmen bestätigen die Regel …

An der  Campingplatz-Rezeption: Jetzt grinsen wir besonders breit, um die Fragezeichen in den Augen zu überdecken.

02/02/2023

©    P Wroblowski / H Zängerlein 

©   P Wroblowski /H Zängerlein