Alles selbst erlebt! 2023 in Brasilien.

Rota Romantica, Brasilianische Schweiz, St. Moritz

Die blaue Hortensie wird für uns zum Symbol für die Serra Gaúcho. Weihnachten auch.

… Wo sind wir hier gelandet? Führt die Romantische Straße nicht von Würzburg am Main entlang der Tauber bis nach Füssen? Ja! In Brasilien führt die Rota Romântica durch die Serra Gaúcha, ein Mittelgebirge im Süden Brasiliens. Die brasilianische Variante ist landschaftlich genauso schön, ebenfalls eine Touristenattraktion mit den Hochburgen Nova Petrópolis, Gramado, Canela und São Francisco de Paula. Diese stehen Rothenburg ob der Tauber oder Neuschwanstein in nichts nach, nur noch ein bisschen kitschiger, noch ein bisschen übertriebener, mit brasilianischen Emotionen halt. Sie imitieren deutsches Fachwerk und alle Klischees der Schweiz auf einmal, Gramado hat den Beinamen „St. Moritz“ Brasiliens, die Gegend heißt auch „Brasilianische Schweiz“.  

Zum weiteren Vorantreiben des Tourismus haben sich die vier Städte zur „Região das Hortênsias“ zusammengeschlossen. Das ist doch mal authentisch und passt!

Aber zurück zur Schweiz. Jetzt wissen wir ja aus Deutschland, dass nicht in allem, auf dem Schweiz drauf steht, auch Schweiz drin ist: Sächsische Schweiz, Fränkische Schweiz… Gut, so auch in Brasilien. Die Serra Gaúcha, seit mehr als 150 Jahren ein beliebtes Auswanderungsgebiet für Deutsche, Italiener und Schweizer erinnert uns eher an einen Hortensien-Bambus-Eukalyptus-Urwald als an die „Schweiz Brasiliens“. Immerhin soll hier nur 29 Breiten-Grade vom Äquator entfernt auf 1000 m Höhe ab und zu Schnee fallen. Ich werde das in der Wetter App beobachten. Für mich hört sich das eher so an, als ob ein Reiseführer das Märchen vom Schnee vom anderen abschreibt. Wenn man allerdings die Städtchen hier sieht, möchte man an das Märchen glauben …

„Mir schbresche da-itsch!“, heißt es gleich auf dem ersten Campingplatz in der Serra Gaúcha. Die Besitzer entpuppen sich als deutsche Auswanderer in der fünften Generation. Das überrascht uns jetzt dann doch, aber es wird nicht das letzte Mal bleiben … (siehe Hunsrückisch oder „Mir schbresche da-itsch!“) 

Erste Übernachtung in der brasilianischen Schweiz unter Bambus. Wir kratzen all unsere Fantasie zusammen, aber das Ambiente erinnert uns nur sehr entfernt an die Schweiz. 😉

Die Einwanderer haben nicht nur ihre Sprache mitgebracht ... 

Zugegeben, auch wir haben am ersten Weihnachtsmarktwochenende in Frankfurt schnell noch einen Glühwein getrunken und unsere obligatorische Karussellrunde mit Blick auf den Römer gedreht, bevor wir in den Flieger nach Südamerika gestiegen sind. Vollkommen überflüssig! 

Das Touristenstädtchen Gramado feiert dieses Jahr Weihnachten vom 27.10.- 29.01. Dazu hat es seinem allgegenwärtigen Schweiz-Alpen-Disneyland-Kitsch ein ganzheitliches - wörtlich zu nehmen - Weihnachtskleid übergeworfen. Die ganze Innenstadt dieses „St. Moritz’ Brasiliens“ ist ausstaffiert wie bei uns eine Käthe-Wohlfahrt-Hütte auf dem Weihnachtsmarkt. Ganze Häuser sind in Schneewolken gehüllt, vor jeder Kirche, auf den Mittelstreifen, in Kreisverkehren, Parks, an allen Gaststätten, Geschäften, schlichtweg an jeder Ecke ist Weihnachten. Und das bei 29 °C im Schatten!

„Die spinnen die Brasilianer!“… oder sind es doch die Deutschen?  

Innenstadt von Gramado: ganz schön viel Kitsch, aber auch ein bisschen schön. Viele, viele Geschäfte, noch mehr Restaurants, Cafés auf hohem Niveau. Einfach durch und durch touristisch. 

Echter als die Christbaum-Gebilde aus weihnachtsroten fleißigen Lieschen, sind die überall blau blühenden Hortensien. Sie gehören in die Serra Gaúcho wie die Tanne zum Schwarzwald und treten keineswegs als einzelner Strauch, sondern als Hecke, Allee oder Hortensienfeld auf. Ein Stück Natur zwischen all dem Klimbim. Echt erholsam.

Leider sind die touristischen Attraktionen um die Städte Gramado und Canela herum so wenig authentisch wie die Städte selbst.  Der Lago Negro ist künstlich angelegt und ein deutscher Auswanderer ließ nach einem Feuer Tannen aus dem Schwarzwald importieren. Dazwischen stehen einzelne Araukarien, wuchert Bambus, und am Ufer breiten sich Hortensien aus. Das gefällt uns. Den Brasilianern gefallen die Schwanensee-Tretboote. Dafür stehen sie Schlange! 

Fest steht: Diese Gegend ist etwas Besonderes innerhalb Brasiliens. Der Lebensstandard ist höher, die Bevölkerung ist europäischer, das Klima ist gemäßigter. Ein sehr privilegiertes Stückchen Erde.

Mit Schwimmweste im Schwanensee-Tretboot - die Krönung am Lago Negro.

Deutsche Namen allgegenwärtig, …

ebenso wie blaue Hortensien.

Esculturas Parque Pedras do Silêncio, von einem Deutschstämmigen gegründeter  Park, …

der die Geschichte der Auswanderer in Sandstein gemeißelt erzählt. 

Gramado City Center, Mitte Januar.

Aussichtsplattform für die Cascada do Caracol, das Geländer weihnachtlich umwickelt!

130 m tief stürzt die Cascada do Caracol in die Tiefe. Gegenüber die Seilbahn mit Blick in den Canyon.

Araukarien kennen wir aus den Anden, die hätten wir hier nicht vermutet.

Cascata do Moinho, fast noch ein bisschen schöner. Man kommt dichter ran und …

landet mitten im Urwald. Eine ein meter lange Echse kreuzt den Weg.

10/01/2023

©    P Wroblowski / H Zängerlein 

©   P Wroblowski /H Zängerlein