Sizilianische Impressionen

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Mit Reisen in andere Länder, fern oder nah, setzt man sich vielen neuen Eindrücken aus. Oft besteht der besondere Reiz des Reisen gerade darin, das Andere zu entdecken. Egal ob schön oder abstoßend eröffnet es neue Perspektiven auf das, was man zu kennen glaubte, und das empfinden wir als interessante Bereicherung. Wenn wir durch die Brille unserer Werte und Kultur betrachten, dann soll das nicht arrogant sein, aber so sehen wir die Welt nun mal. Hier sind unsere Beobachtungen in Süditalien durch die Tür, die sich einen Spalt geöffnet hat:


Soziale Netze

Überall sieht man Menschen miteinander reden, kaum jemand geht oder fährt am anderen vorbei ohne wenigstens einen Gruß. Ganz zu schweigen von den alten Männern im Straßencafé, die offensichtlich jeden Tag neuen und interessanten Gesprächsstoff finden.


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Fröhliche Menschen

Alle Menschen um einen herum scheinen gute Laune zu haben. Sie lachen laut, gestikulieren in freudiger Erregung oder haben einfach einen rund um zufriedenen Gesichtsausdruck. Das war für uns in den ersten Tagen so auffällig, dass wir uns gegenseitig auf diejenigen um uns herum aufmerksam gemacht haben, die ihre Fröhlichkeit am extrovertiertesten zur Schau getragen haben. Das ist auf angenehme Art ansteckend! Die Stimmungslage ist jedenfalls ganz offensichtlich vollständig losgelöst vom Maß an materiellem Wohlstand.



Der Straßenverkehr

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Wir waren auf das Schlimmste vorbereitet, aber der Fahrstil ist eher defensiv! Das Tempo entspricht sicher nicht immer den Vorschriften, aber es ist angemessen. Jeder fährt sehr umsichtig und man kommuniziert viel miteinander. Dabei ist der gesunde Menschenverstand wichtiger als die pure Vorschrift. Mit unserem Auto sind wir ja schon manchmal ein Hindernis: langsam, groß und wir kennen uns natürlich auch nicht aus. Aber alle sind ausgesprochen rücksichtsvoll, warten, geben uns Vorfahrt, auch wenn wir keine haben und niemand wird ungeduldig. Die Tatsache, dass uns andere Autos ausweichen kann natürlich auch damit zu tun haben, dass der Fahrer im Fiat Punto auf Augenhöhe mit der Oberkante unserer Reifen sitzt ...

P.S.: ok, ein oder zwei Kamikaze-Fahrer gibt es doch!


Historische Pracht und Unrat

Italien und Süditalien im Besonderen sind bekannt für altertümliche Bauwerke. Hier finden sich gut erhaltenen Schätze der Menschheit aus der Zeit einige hundert Jahre vor Christi. Alte Orte, auch wenn sie bewohnt sind, sehen nun mal nicht aus wie „geleckt“. Zu oft geht jedoch der Charme des Morbiden über in ganz einfach Verfall und schlimmer noch Dreck und Unrat. 

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Liebe Italiener, warum lasst ihr das zu? Es würde so wenig Aufwand bedeuten, hier und da mal einfach den Müll zu beseitigen und der Effekt wäre phänomenal! In der alten DDR gab es über Jahre eine Initiative, die nannte sich „Schöner unsere Städte und Gemeinden - mach mit!“. An einem Samstag kamen die Bewohner mehr oder weniger freiwillig zusammen und haben eine Dreckecke in etwas Schönes verwandelt. Eine Idee für Italien?!

Nachtrag vom 2.5.2013: Zumindest zwei positive Beispiele für einen gewissen Gemein- und Ordnungssinn haben wir mittlerweile erlebt: Der Strand am Capo Bianco wurde von einer Gruppe Pfadfinder gesäubert und zwar gleich in einer Breite von mehreren Kilometern. Und in Noto Antica wurden die Picknickplätze nach dem Besucheransturm vom 1. Mai gleich am nächsten Morgen von städtischen Angestellten wieder fein hergerichtet. 


Essen und Preise

Jeder weiß, das Essen in Italien ist lecker. Aber wie lecker?! Egal wie entlegen das Bergdorf oder winzig die Bar, das Essen ist immer extrem delikat und der Espresso läuft wie Öl in die dickwandige Tasse. 

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Wir haben fast täglich unsere Statistik vom „besten Essen“ und dem „süffigsten Espresso“ nach oben korrigiert. Was ein Genuss! Dabei lassen die Lokalitäten übrigens überhaupt keinen Schluss auf die Qualität zu, die einen da erwartet. Den besten Fisch nach mediterraner Art mit richtig viel Rosinen haben wir in einem unscheinbaren Restaurant gegessen, das in keinem Führer gelistet war. Das beste Cous Cous mit Fisch, eine Spezialität, die die Nordafrikaner eingeführt haben, gab es in einer Holzbaracke am Strand. Und den besten Espresso hat uns eine sehr alte Dame zubereitet, die kaum noch an den Siebträger der Maschine herangekommen ist. Die Rechnung für Kaffee und eine Süßigkeit hat sie übrigens im Nachhinein mehr nach Gefühl gemacht, eine Preisliste gab es nicht und sie wollte offensichtlich lieber mit runden Zahlen rechnen. War trotzdem sehr preiswert!  

Da wir gerade über Geld sprechen ... Essen gehen in Italien ist günstiger als in Norwegen im Supermarkt die entsprechenden Zutaten zu kaufen! Deswegen gibt es in Italien auch gefühlt 100 x mehr gute Restaurants und ich wette, die machen alle mehr Umsatz als die, die wir in Norwegen besucht haben. Wer es nicht glaubt und den akademischen Beweis braucht: Die Ökonomen haben diesen banalen Zusammenhang im Gesetz der Nachfrage und in der doppelt geknickten Preis-Absatz-Funktion beschrieben.


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Die Polizei in Italien

Keine Sorge, alles nette Jungs! Das war jedenfalls unsere Erfahrung. So richtig streng waren sie bisher nicht, die Dinge werden mehr nach gesundem Menschenverstand geregelt. Aber beeindruckend sind sie! Die Herren steigen aus ihrem Auto, strecken sich in die volle Körpergröße, schließen alle Knöpfe am Dienstanzug (aus gutem Zwirn!), setzen ohne Ausnahme ihre dunkle Sonnenbrille auf und  s c h r e i t e n  die Straße entlang. Die Uniform mit ihren goldenen Knöpfen und sonstigen Applikationen sieht aus wie die vom Kommandierenden der königlichen Garde. Wenn man sie ernst nimmt, sind sie sehr zuvorkommend. Wir haben aber auch keinen Zweifel daran, dass sie sehr unangenehm werden können. In jedem Fall eine Institution!

Kein echter Polizist, aber ebenso beeindruckend: Der Aufpasser im Amphitheater in Syrakus.


Das Geheimnis des langen Lebens der Süditaliener!

Wenn man der Statistik glaubt, werden die Italiener nicht älter als die Deutschen. Allerdings wird der Durchschnitt sicher von den Nord-Italienern verwässert, so ist das manchmal mit der Statistik. Wir sind jedenfalls überzeugt, dass die Süditaliener länger leben, die Sarden sind sogar Gegenstand von Forschungen. 

Wir haben nun das Geheimnis des langen Lebens in Süditalien gelüftet: permanente Gedächtnis-Übungen! Wenn man in einer Bar seinen Espresso an der Theke holt und ein süßes Stück dazu und sagen wir ein Wasser, dann weigert sich jeder Barmann/Barfrau die entsprechende Summe sofort zu kassieren. Mit keinem Argument der Welt schafft man es, sofort zu bezahlen. Das wäre ja viel einfacher aus nüchterner deutscher Sicht. Nein, erst einmal alles in Ruhe genießen, bezahlen kann man ja anschließend. Auch haben wir nie gesehen, dass etwas notiert wurde. Das hat unweigerlich zur Folge, dass der Barmann/die Barfrau sämtliche Konsumationen aller anwesenden Gäste im Kopf haben muss. Tatsächlich funktioniert das sehr gut und wenn sich mal eine Gedächtnislücke auftut, wird diese in gemeinsamer Arbeit wieder geschlossen. Auch dieser herzliche soziale Kontakt trägt mit Sicherheit zu einem langen Leben, fit im Kopf, bei!


Das Wetter

Das Wetter war sehr schön, gar keine Frage. Im Frühling gibt es schon fast keinen Regen mehr, dafür reichlich Sonnenschein. Dazu Temperaturen um die 20 Grad - perfekt zum Reisen. All das würde noch keinen Eintrag unter dieser Rubrik hier rechtfertigen. Was also ist das Besondere?

Der Wind: Eigentlich weht immer Wind und für unsere Verhältnisse (geborene und überzeugte Mittelgebirgsler) relativ kräftig. Täglich eine steife Brise eben. Außerdem hatten wir in den ersten fünf Wochen allein vier Sturmwarnungen, davon eine „rot“ mit Windstärken in Böen bis zu 10 und 11. Es war davon die Rede, dass Bäume ausgewurzelt werden. Da parkt man schon mal mit Umsicht!

Plötzliche Wetteränderungen. Er kam nicht selten vor, dass die Temperaturen von einem Tag zum anderen um 10 Grad schwankten. Auch stündlich kann sich da schon viel tun. Zum Beispiel am 22.5.2013 in Novara di Sicilia: Tagsüber Sonne und Wolken, nachmittags ein aufkommender Sandsturm und die Sonne wurde eine riesige rot-braune Scheibe, abends war der Spuk vorbei, aber es blieb trüb mit sehr beschränkter Sicht, nach dem Abendessen plötzlich ein kristallklarer Sternenhimmel und nachts wieder heftiger Sturm.


Mafia?

Begegnet man der Mafia, wenn man zwei Monate durch Sizilien reist und das oft genug im Hinterland, weit abseits der üblichen Touristenströme? Nein, nicht bewusst. Aber: Luxus-Limousinen mit glänzend schwarzen Reifen in engen Gassen und architektonisch beeindruckende Häuser in sonst offensichtlich armen Bergdörfern ohne erkennbare Einkommensquelle im Umkreis von 100 km werfen natürlich Fragen auf. Die Antworten darauf kennen wir nicht. Übereinstimmende Meinung von Kennern des Landes ist jedoch, dass harmlose Reisende wie wir Nichts zu befürchten haben. Sie bringen Geld ... Es wird sogar vermutet, dass manches Dorf im Hinterland nur deswegen nicht kartographiert wurde, weil da jemand die Hand drauf hatte. So weit würde ich nicht gehen, aber die Daten von Open Street Maps sind sonst tatsächlich detaillierter.

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