Über die Straßenverhältnisse im Nebrodi hatten wir uns ja schon ausgelassen. Unsere Überlegung war, einfach weiter durch den Wald zu fahren, relativ geradlinig auf dem Kamm immer in Richtung Osten statt den großen Umweg über die Pass-Straßen zu nehmen. Wir schätzen 25 km durch den Wald statt mehr als 50 km auf dem, was von einer Straße übrig geblieben ist. Wir erkundigen uns bei Holzarbeitern, ob die Strecke durch den Wald zu machen ist und die ersten Antwort lautet „No, strada brutta, strada brutta!“. Haben wir zunächst nicht genau verstanden, klang aber definitiv nicht gut. Als sie dann abseits des Weges unser 4x4-Gefährt entdeckt hatten, haben sie ihre Meinung geändert: „Quattro? - Si, Si!“. Also, auf geht‘s!
Noch eine klitzekleine Wanderung am Morgen mit wattierter Hose und Kapuze! 20. Mai auf Sizilien?
Eine gewisse Anspannung stellt sich schon ein, wenn man sich auf den Weg macht, ohne zu wissen, was einen erwartet. Auch ist unklar, wo und ob überhaupt man irgendwo wenden kann, falls man doch umkehren muss. Es war dann aber nicht so schlimm. Eine Planierraupe hatte wohl erst kürzlich die schlimmsten Stellen entschärft, das hat sehr geholfen. Außerdem haben die Holztransporter sowohl einen „Tunnel“ durch das Walddickicht für unser 3,20 m hohes Auto geschlagen, als auch Umfahrungen der tiefen Schlammpassagen angelegt, die wir gut nutzen konnten. Zugegeben, mit 9 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit waren wir nicht wirklich schneller als am Tag zuvor, aber die Strecke war tatsächlich nur halb so lang.
Die mehr als zwei Stunden off-road haben auch Spaß gemacht. Unterwegs haben wir eine nette Wander-Reitergruppe getroffen, die auf ihrem Weg von Castelbuono nach Taormina (7 Tage, 250 km im Sattel!) gerade Rast machte. Engländer, Franzosen, Schweizer, Italiener - insgesamt 8 Reiter plus zwei Führer. Wir wurden sozusagen gezwungen, kräftig bei Salami, Käse, Oliven, Tomaten, Artischocken und Rotwein zuzulangen. Letzterer kam übrigens aus einem 5-Liter-Kanister auf dem Dach eines total überladenen Landrovers, der sich als Begleitfahrzeug ebenfalls mit Schrittgeschwindigkeit durch das Nebrodi-Gebirge gearbeitet hat. Wir haben unseren letzten Schirker Feuerstein und Heikes selbst gebackene Cantucci eingebracht. Hat allen offensichtlich geschmeckt, ist nämlich restlos alle geworden - ja so ist das in Gesellschaft von Abenteurern. Nachdem auch der ortskundige Führer der Reitergruppe uns bestätigt hat, dass wir bestimmt durchkommen, waren wir schon entspannter. Vielleicht hat aber auch die Mischung aus Rotwein und Kräuterlikör geholfen.
Wir kommen also gut am Fuß des Monte Soro an und Peter unternimmt noch eine kürzere Wanderung zum Lago di Maulazzo, auch mit dem Hintergedanken, dort noch einen idyllischen Platz für die Nacht auszukundschaften. Es gibt tatsächlich sehr schöne Stellen, aber der Wind weht kräftig und wir ziehen den Schutz des Waldes vor.
Im Nachhinein haben wir dann auch verstanden, warum in den Bergdörfern untypisch viele Allrad-Fahrzeuge mit grobstolligen Mud-Terrain-Reifen rumstanden. Wer Lust hat kann in Google mal „Nebrodi off-road“ eingeben und sich das eine oder andere Video anschauen. So macht man aus der Not ein Hobby …