Auf der Terra Rouge Guest Farm (siehe auch Die roten Dünen der Kalahari) lädt uns Pieter, der Farmer, zu einer Kontrolltour seiner Wasserstellen ein. Eine solche Tour macht er zweimal pro Woche. Da die Rundtour in Summe 75 km lang ist und sechs bis sieben Stunden dauert, wird sie in zwei Schleifen aufgeteilt - eine Hälfte morgens, eine Hälfte nachmittags.
Abgeholt werden wir mit einem selbstgebauten Vehikel, eine Mischung auf Toyota Landcruiser 1975 und 1979 mit einem Traktormotor! Allein dieses Vehikel ist schon die Fahrt wert! Wir sitzen vorne auf der durchgehenden Bank, auf der Ladefläche liegen jede Menge 50-kg-Säcke Futter, außerdem fahren hier zwei seiner drei Angestellten und zwei Border Collies mit.
Vor ein paar Jahren haben wir für eine solch abenteuerliche Fahrt über die Dünen der Namib einmal sehr viel Geld bezahlt. Heute ist es nicht weniger abenteuerlich, kostet aber nichts. Nicht nur einmal müssen wir drei-, viermal Anlauf nehmen, um die nächste Düne zu erklimmen - nur um dann wieder ins nächste Tal hinunter zu rutschen. Die Tiere sind Schuld! Schafe und Kühe laufen auch gern auf dem Fahrweg und machen ihn so sehr weich. Eigentlich sieht der Weg aber wie neu angelegt aus. Wir erfahren, dass Pieter vor ein paar Wochen alle Wasserleitungen erneuert hat - und „alle" heißt 40 km Leitung! Dazu wurden die Wege aufgegraben, unter denen die Leitungen verlaufen, und danach neu präpariert.
Wir erreichen den ersten großen Wassertank. Ein Arbeiter hüpft von der Ladefläche, klettert die Leiter am Tank empor, kontrolliert den Zulauf, befindet alles für okay, springt wieder aufs Auto. Alles in weniger als einer Minute, alles ohne viel Worte. Man merkt, dass wir ein eingespieltes Team vor uns haben.
An der ersten Wasserstelle stehen Schafe und warten auf uns. Zweitausend-fünfhundert sind insgesamt auf der Farm, die 13.000 ha (ca. 11,5 km x 11,5 km) umfasst, dazu noch ca. 100 Kühe. In den trockenen Monaten (Nov, Dez) bekommen die Tiere zusätzlich Futter, damit sie die Dürre gut überstehen. Die Futterstellen werden zunächst von altem Futter und Unrat gereinigt, bevor ein frischer 50-kg-Sack eingefüllt wird. Die Schafe stehen Schlange und stürzen sich auf das neue Futter. Es scheint zu schmecken.
Auch die Wasserleitungen sind alle in Ordnung. Es geht weiter.
Ja, es geht weiter durch jede Menge Tore. Anhalten, abspringen, Tor öffnen, durchfahren, Tor schließen, aufspringen, weiterfahren. Das machen wir in dreieinhalb Stunden gefühlte fünfzig Mal…!
…und landen bei den Kühen. Diese stehen durstig um ihrem Wassertrog herum, saufen aber nicht. Ein Farmarbeiter merkt es, als er die Zuleitung kontrolliert, Pieter sieht es den Kuh-Bäuchen an. Ein Geier hat ein Bad genommen! Das stinkigste Tier auf Erden hat sich für seine Hygiene den Wassertrog ausgesucht. Danach will auch bei 40°C Hitze keine Kuh mehr davon trinken.
Die Kühe beobachten geduldig, wie der Wassertrog ausgeschöpft und danach mit frischem Wasser gefüllt wird. Als wir wegfahren, stehen sie sternförmig (und glücklich) um den Trog herum - und saufen!
Um die nächste Wasserstelle sind Käfige aufgestellt, in einem hockt ein Stachelschwein. Stachelschweine haben auf einer Farm keine natürlichen Feinde und vermehren sich wie Nagetiere es tun, d.h. unkontrolliert. Das dürfen sie, solange ihnen keine Wasserleitung zwischen die Zähne kommt. Aber wenn sie erst einmal eine Wasserstelle entdeckt haben, dann wird das Suchen und Anbeißen von Leitungen ihre Lieblingsbeschäftigung. Und wenig später landen sie im Stachelschwein-Himmel!
Lämmer hingegen haben auch auf der Farm natürliche Feinde. Zwar umgibt die gesamte Farm ein Schakal-sicherer Zaun, aber Stachelschweine (schon wieder die Übeltäter!) graben und beißen sich auch hier durch und machen den Zaun für Raubtiere durchlässig. Und so reißen Schakale und diverse wilde Katzen jährlich 250 Lämmer, das sind immerhin zehn Prozent der gesamten Herde!
Außer den schwarz-köpfigen Schafen und den Kühen, springen noch Springböcke und mehrere Steinböckchen vor uns über den Weg. Steinböckchen sind eine winzige Antilopenart (nur 60 cm hoch), die mit unserem Alpensteinbock so gar nichts zu tun hat. Immerhin haben sie auch kleine Hörnchen. Oryxe gibt es auch, sie zeigen sich aber nicht. Pieter meint, er hätte keinen Jäger-Instinkt, und so dürfen die Antilopen unbedarft über die Farm springen.
Zum Schluss lernen wir noch einen Lehrsatz aus dem Farmerleben:
Die zwei wichtigsten Dinge auf der Farm sind die die Autos und das Wassersystem. Daher müssen beide stets in gutem Zustand sein.
(Deshalb durften wir auch diesen ereignisreichen Tag erleben.)
Und zum Reisen hatte Pieter auch einen Spruch parat:
Jeder Tag ist ein Abenteuer.
Ja, stimmt! Und dieser Tag war ein ganz besonderes.