Vor Gericht - besser als eine bezahlte Führung

Narok/Kenia  09.10.2015, 12:20 Uhr  

Eine der vielen Polizeikontrollen - zur Abwechslung müssen wir wieder einmal anhalten und erwarten eine Führerscheinkontrolle. Nach dem üblichen „Hallo, wie geht’s“, aber dann „You were speeding!". Wir mit unserem großen Auto zu schnell? Kann ja eigentlich gar nicht sein. Aber wir müssen zugeben, bergab kamen wir gerade so schön in Fahrt: 91 km/h! Statt der erlaubten 80 km/h (über 3,5t).

Wer in Kenia die Geschwindigkeit auch nur um 1 km/h überschreitet, muss nicht nur Strafe zahlen, sondern vor Gericht. Auch wir. Der Polizist verlangt 10.000 KES (ca. 100 Euro) von uns. Auf Peters Bemerkung hin, dass das ja ganz schön viel wäre, wird die Strafe ohne weitere Diskussion halbiert: 5.000 KES wechseln den Besitzer. Wir erhalten eine ordentliche Quittung und auch gleich die Vorladung zum Gericht in einer Woche, was natürlich extrem unpraktisch für uns ist. Der Polizist verweist in dieser Frage auf seinen „Commander“ in der Provinzhauptstadt Narok. Da fahren wir ohnehin durch, suchen das Polizeipräsidium, schildern den Fall und hoffen, dass wir bei Gericht gleich zwischen rein geschoben werden: Blitzverfahren sozusagen.

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Meist laufen die Polizeikontrollen außerordentlich freundlich ab.              Im Hof der Polizei von Narok - konfiszierte Unfall-Mopeds.
Freundlich sind sie diesmal auch - Strafe müssen wir trotzdem bezahlen.

Der Weg dahin: Der erste Beamte führt uns zur Dame der Verkehrspolizei, die kann ohne ihre Chefin nichts entscheiden. Die Chefin ist uns wohl gesonnen - Glück gehabt. Jetzt wird unser Fall aufgenommen und wir werden zum Gerichtshof geschickt, der auf dem gleichen Gelände liegt. Dort bitte warten. Das Gericht besteht aus einem kleinen Gebäude mit nur einem Raum. In diesem Gerichtssaal wird öffentlich verhandelt. Es ist rammelvoll. Wir sprechen mit dem Gerichtsdiener, der die offene Tür bewacht. Bitte außen warten. 

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Mit überladenen Autos ist die Polizei nicht so pingelig.                            Das Ergebnis - umgepurzelt!

Wir stellen uns also zu hundert anderen Wartenden unter einen Baum in den Schatten und wissen nicht, wie und was da drin genau abgeht. Mehrmals werden Jugendliche mit Handschellen in den Gerichtssaal hinein und wieder heraus geführt. Das sieht sehr ernst, aber die Ganoven werden stets sehr respektvoll behandelt. Kein lautes Wort, keinerlei Macho-Gehabe der Beamten. Die wartenden Angehörigen werden sanft zurecht gewiesen, wenn sie zu weit in den Gerichtssaal vordringen. Das kann wohl dauern, wir warten. Irgendwann hat der Gerichtsdiener Mitleid mit uns und wir dürfen in den Gerichtssaal vorrücken - damit wir besser hören, wann wir aufgerufen werden. Circa 50 Leute sitzen in Reihen wie in der Kirche - alles Angeklagte? - , davor eine Richterin, eine Pflichtverteidigerin, ein Dolmetscher und zwei Gerichtsdiener. Die Richterin strahlt ordentlich Autorität aus. Streng, aber gerecht - so scheint uns. Wir wohnen noch einigen Verhandlungen bei. Darunter eine minderjährige Mutter mit ihrem Baby. Wenn wir das richtig verstanden haben, hat sie ihre Unterhaltsverpflichtungen nicht erfüllt.

Nun muss Peter hinter das „Anklagepult“. Die Richterin verliest die Anklage. Peter bekennt sich schuldig. Die Strafe wird wie bereits von der Polizei auf 5.000 Schilling festgesetzt. Eigentlich müssten wir jetzt warten, bis die Polizei heimkehrt und unsere bereits gezahlte Geldstrafe beim Gericht abliefert. Aber unsere Pflichtverteidigerin springt ein und erklärt, sie könnten das doch nach Dienstschluss selbst mit der Polizei verrechnen. Da haben wir aber echt Glück gehabt! Peter wird entlassen. 

Etwas seltsam: wir waren beim Gericht, wir mussten Strafe bezahlen, aber verlassen den Gerichtssaal nach eineinhalb Stunden zufrieden. Von der Polizei auf der Straße über den Gerichtsdiener bis zur Richterin waren alle nicht nur ausgesprochen höflich, sondern richtig nett. Ob das in Deutschland für einen Ausländer auch so schnell und unkompliziert abgelaufen wäre? 

43 EUR hat der Spaß gekostet, war aber besser als jede Führung durch ein Massai Dorf! 


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Am Wochenende ist alles erlaubt, da gibt es keine Polizeikontrollen - die Polizei hat frei: Kamikaze-Busfahrer überholt links auf Randstreifen, derweil die grölenden Insassen auf die vorbeifahrenden Autodächer klopfen und Radfahrer hängt sich an LKW an.

© P Wroblowski / H Zängerlein 2015                                                                                                    Legende          Disclaimer          Kontakt          Sitemap