Trampolín de la Muerte -
2300 Höhenmeter im Dschungel wollen bewältigt werden

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70 km einspurige Schotterpiste von Mocoa bis San Francisco, der höchste Pass knapp 2800 m.

Ehrlich gesagt, ein bisschen Ehrfurcht flößt einem dieser Name schon ein: Trampolin des Todes. Aber gleichzeitig wissen wir, welche unserer Reisefreunde (das sind nicht gerade die Draufgänger-Typen) mit welchen Autos schon die Todesstrecke über die Zentral-Kordillere gefahren sind und dass es die letzten Tage nicht besonders stark geregnet hat. Am Beginn der Strecke sehen wir in Mocoa auch richtig große Trucks den Berg hinauf und herunter schnauben und die Einheimischen, bei denen wir die letzten Erkundigungen einziehen, meinen: Die Straße ist zwar gefährlich, aber kein Problem mit eurem Auto! (Das scheint beim Anblick eines 4x4-Vehikels allerdings die Standardantwort zu sein.)

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Die 70 km einspurige Piste von Mocoa bis San Francisco durch den Regenwald liegt zwischen 500 m üNN und 2800 m üNN, davon sind 1000 Höhenmeter auf knapp 3 km Luftlinien-Entfernung, diese wollen bewältigt werden. Die Zeitangaben schwanken zwischen drei und fünf Stunden. Wir brauchen bei perfektem Wetter, d.h. mit nur ganz wenig Regen auf dem höchsten Pass, gut viereinhalb Stunden. Danach reicht das Durchgerüttele aber auch!
Unsere Matratze haben wir heute vorsichtshalber mit einem Gurt angeschnallt - sie wäre uns sicher zum dritten Mal in einer Woche vom Bett in die Küche gehüpft.


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Peter hat am Vorabend gegoogelt und im Kopf das Bild links (Quelle unbekannt) abgespeichert. Mir hat er es nicht gezeigt - wollte er meine Nerven schonen?
Er wartet jedenfalls 70 km bis San Francisco auf diesen Straßenabschnitt - er kommt aber nicht! Wir schwören beide, hier sind wir ganz bestimmt nicht entlang gefahren! Hatten wir beide gerade die Augen?  

Wahrscheinlich ist das Foto schon etwas älter und die Leitplanke war noch nicht erfunden. Außerdem sieht die Straße frisch in den Fels „geschlagen“ aus, also noch nicht in die üppige Urwaldvegetation eingepackt, wie wir sie erlebt haben. Und der Nebel hat uns diesen gruseligen Anblick erspart.

Das Foto zeigt aber deutlich, wie extrem das Gelände beschaffen ist: senkrechte Wände mitten im Regenwald. Erdrutsche, Lawinen, Überschwemmungen und Steinschlag sind vorprogrammiert. Hierher eine Trasse zu legen, ist eigentlich wahnwitzig. So wundert es nicht, dass die Straße zu Beginn der 1930-er Jahre während einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Kolumbien und Peru gebaut wurde - um Soldaten zu transportieren! Sie auch noch befahrbar zu halten, ist eine echte Herausforderung - die aber offensichtlich von den Kolumbianern bewältigt wird, wenn auch mit erheblichem Aufwand.

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An etlichen Stellen sehen wir Bagger den frischen Erdrutsch wegräumen, ein, zwei Arbeiter mit einfachen Schippen die Schlaglöcher mit Erde auffüllen oder einen kleinen Bautrupp die weggebrochene Piste stabilisieren und mehrere 100 Kubikmeter Beton auffüllen. Dafür fahren sie täglich mit dem Moped zwei Stunden durch den Dschungel hierher und natürlich wieder zurück. Sie arbeiten mit einem kleinen Mischer, mit dem man daheim allerhöchstens eine Garage bauen würde. Was für eine Sisyphusarbeit! 


Das Trampolín de la Muerte ist ein echtes Straßenbau-Kunstwerk:
die Steigung ist ganz und gar gleichmäßig, man sieht es besonders gut am Höhenprofil oben im Hauptbild.


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Endlich wieder Teer unter den Rädern, machen wir in San Francisco einen Stadtbummel und merken beim Zurückkommen, dass ein kleiner Ölfleck unter dem Auto ist. Unter der Kühlerhaube ist alles mit Motoröl eingesaut - der Deckel vom Ölbehälter hat einen Riss. Wir klappern sofort sechs, sieben Werkstätten und Ersatzteil-Läden ab, fahren aber letztendlich mit dem kaputten Öldeckel* weiter, 50 km über einen harmlosen 3200-m-Pass bis zur Laguna de la Cocha. Hier schließt sich für uns der Kreis in Kolumbien. Vor gut sechs Wochen haben wir auf unserer Fahrt nach Norden schon einmal am Restaurant Jardín del Lago übernachtet. An der Forelle** aus dem See geht heute kein Weg vorbei! 

Endlich! - Nach 70 km eine nagelneue Teerstraße in San Francisco.

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Nach Trampolin des Todes und Öldeckel auch noch ein Erdbeben? Das brauche ich jetzt wirklich nicht. Aber die Erde schwankt ganz deutlich unter meinen Füßen. Peter merkt nichts, ihm ist nur schwindelig. Ich beobachte die am Faden aufgehängten Bilder und Kunstwerke an der Wand des Restaurants, die bewegen sich keinen Millimeter… Gut, solange es nur unter mir wackelt, wird’s ja nicht so schlimm sein. Ich nehme ein paar von unseren Coca-Pillen gegen Höhenkrankheit und nach ein, zwei Stunden ist das Gewackel vorbei. Sagte ich nicht am Anfang, die Höhenmeter wollen bewältigt werden?

Kurz vor der Laguna del la Cocha führt die Straße durch Páramo-Landschaft. 


Fazit: Wir haben das Trampolin des Todes bei trockenem(!) Wetter nicht ganz so schlimm empfunden, wie es sich anhört. Der Untergrund war durchwegs griffig und es gab keine rutschigen Schlammpassagen. Haarnadelkurven mit zurücksetzen sind wohl seit den Anfangszeiten entschärft. Leichtsinnig darf man dennoch nicht werden. Die Wetterbedingungen ändern sich innerhalb von Minuten, Erdrutsche und Steinschlag sind auch bei gutem Wetter an der Tagesordnung, ebenso Nebel mit Sichtweiten unter 50 m. Und im Extremfall - die gelben Banderolen, der "Leitplanken-Ersatz", sind mit ihrer Aufschrift allerhöchstens amüsant. Vor dem Sturz in die Tiefe halten sie keinen ab!  

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   Was steht denn eigentlich auf den gelben Bänder? Gefahr - nicht durchfahren! Dieser Hinweis ist äußerst hilfreich.


Froh, dass wir heil mit dem Leben davon gekommen sind, bietet sich an, dass Santuario de Las Lajas zu besuchen, eine kolumbianische Pilgerkirche, die in den Canyon des Rio Guaitara gebaut ist. Das ist schon sehr bizarr, insbesondere wenn man über die Seilbahn in den Canyon einschwebt.



*Auch einen Tag später in Pasto sind wir zwei Stunden lang erfolglos auf der Suche nach einem Tapa de Aceite. Peter hat den kaputten Öl-Deckel inzwischen geklebt und wir hoffen, er hält die nächsten sechs Wochen bis Cusco noch durch. Wenn wir nach Hause kommen, warten drei Ersatzdeckel dann schon im Briefkasten. Das Internet macht’s möglich!

**Das Menü aus Gemüsesuppe, Forelle mit Salat und Pommes Frites und Käse mit Maulbeeren als Nachtisch kostet 17.000 Pesos, das sind 4,50 EUR! Dazu gibt es noch eine hausgemachte Limonade und umsonst übernachten dürfen wir auch.  


Google Maps: (1.071662, -76.736465), Höhe ü NN: 500 - 2800 m, Temperatur (tags): 22° - 11° C


Die Diashow zeigt unsere Impressionen entlang der Straße, fast alle Fotos sind aus dem fahrenden Auto gemacht.


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